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Schlagwort: Berufskrankheit

Gesetzliche Unfallversicherung: Verletzung eines 15-jährigen Fußballers kann Arbeitsunfall sein

Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u.a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. 

Komplexe Verletzung beim Ligaspiel

Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel der früheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.

Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall

Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.

Landessozialgericht gab Spieler Recht

Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.

Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben

Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.

Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall. Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025

Sonnenschaden: Polizist: Hautkrebs-Erkrankung keine Berufskrankheit

| Ein ehemaliger Polizist hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit infolge früher wahrgenommener Tätigkeiten u.a. im Streifendienst. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Aachen entschieden. |

Der Kläger begründete, er sei während seiner nahezu 46-jährigen Dienstzeit zu erheblichen Teilen im Außendienst eingesetzt gewesen, ohne dass sein Dienstherr ihm Mittel zum UV-Schutz zur Verfügung gestellt oder auch auf die Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen hingewiesen habe. Infolgedessen leide er unter Hautkrebs am Kopf, im Gesicht und an den Unterarmen.

Das VG hat die Ablehnung der Anerkennung als Berufskrankheit bestätigt, denn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Dienstunfall lägen hier nicht vor. Erforderlich ist im Fall von Hautkrebs durch UV-Strahlung, dass der Betroffene bei der Ausübung seiner Tätigkeit der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt ist, d. h. das Erkrankungsrisiko aufgrund der dienstlichen Tätigkeit in entscheidendem Maß höher als das der Allgemeinbevölkerung ist. Davon kann bei Polizeibeamten im Außendienst nicht die Rede sein. Polizisten bewegen sich in unterschiedlichen örtlichen Begebenheiten und nicht nur bei strahlendem Sonnenschein im Freien. Quelle | VG Aachen, Urteil vom 15.4.2024

Berufskrankheit: Leichenumbetter – Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung greift nicht

Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass eine von einem Leichenumbetter vorgebrachte Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nicht als sogenannte „Wie-Berufskrankheit“ (also als einer Berufskrankheit gleichgestellt) anerkannt werden kann. Deshalb hatte der Kläger im Verfahren vor dem LSG auch keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Berufsgenossenschaft stellte Erkrankung nicht mit Berufskrankheit gleich

Der im Jahr 1963 geborene Kläger war in den Jahren 1993 bis 2005 als Leichenumbetter beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. tätig und führte in Mittel- und Osteuropa mit Schaufel und Bagger die Exhumierung und Identifizierung von Weltkriegstoten sowie von Toten der Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren durch. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die Gebeine der Toten aus den Grabanlagen zu bergen, Alter, Geschlecht und – soweit möglich – die Todesursache zu bestimmen sowie Körperbau, Größe und gefundene Gegenstände zu protokollieren und fotografisch zu dokumentieren. Seit dem Jahr 2005 war er arbeitsunfähig erkrankt. Im Jahr 2017 wandte sich der Leichenumbetter an die beklagte Berufsgenossenschaft und trug vor, durch seine langjährige Tätigkeit sei es bei ihm zu gesundheitlichen Störungen mit einer lebenslangen Behinderung gekommen.

Die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, seine Erkrankung einer Berufskrankheit gleichzustellen. Psychische Erkrankungen wie eine PTBS gehörten nicht zu den in der Berufskrankheiten-Liste aufgeführten Krankheiten. Die hiergegen gerichtete Klage des Leichenumbetters vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam blieb ohne Erfolg.

Klage in zwei Instanzen ohne Erfolg

Das LSG hat die Entscheidung des SG jetzt bestätigt. Nach den aktuellen diagnostischen Kriterien (ICD-11) sei eine PTBS Folge eines extrem bedrohlichen oder entsetzlichen Ereignisses oder einer Reihe von entsprechenden Ereignissen. Diese Eingangsvoraussetzung sei nicht bereits durch die Berufsbezeichnung erfüllt, sondern es sei vielmehr auf die konkreten Einwirkungen abzustellen. Zudem ließen sich aus epidemiologischen Studien keine gesicherten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zum Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten eines Leichenumbetters und einer PTBS ableiten. Hinsichtlich eines solchen Zusammenhangs fehle es bereits an statistisch relevanten Zahlen zur Gruppe der Leichenumbetter. Auf Studien zu Berufen, die ähnliche Belastungen mit sich bringen, wie etwa Zivil- und Militärbestatter, forensische Pathologen oder Mitarbeiter von Rettungsdiensten, könne mangels Übertragbarkeit nicht zurückgegriffen werden. Nicht ausreichend für die Anerkennung „wie eine Berufskrankheit“ sei die bloße Denkbarkeit bzw. Möglichkeit einer psychischen Belastung durch das langjährige Exhumieren, Bergen und Vermessen von Leichen und Leichenteilen.

Quelle | LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.4.2023