Schlagwort: Diskriminierung

Entgelttransparenzgesetz: Benachteiligung wegen des Geschlechts

Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber nach dem Entgelttransparenzgesetz mitgeteilte Vergleichsentgelt der männlichen Vergleichsperson, regelmäßig die – vom Arbeitgeber widerlegbare – Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt.

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Abteilungsleiterin beschäftigt. Sie erhielt im August 2018 von der Beklagten eine Auskunft nach dem Entgelttransparenzgesetz, aus der u. a. das Vergleichsentgelt der bei der Beklagten beschäftigten männlichen Abteilungsleiter hervorgeht. Angegeben wurde dieses als „auf Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median“ des durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts sowie der übertariflichen Zulage. Weil sowohl das Grundentgelt als auch die Zulage über dem Entgelt der Klägerin lag, hat die Klägerin die Beklagte u. a. auf Zahlung der Differenz zwischen dem ihr gezahlten Grundentgelt sowie der ihr gezahlten Zulage und der ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelte für die Monate August 2018 bis Januar 2019 in Anspruch genommen.

Das Arbeitsgericht (ArbG) hatte der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht (LAG) hat das Urteil des ArbG auf die Berufung der Beklagten geändert und die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, es lägen schon keine ausreichenden Indizien vor, die die Vermutung begründeten, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren habe.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG nun Erfolg. Mit der vom LAG gegebenen Begründung durfte die Klage nämlich nicht abgewiesen werden. Aus der von der Beklagten erteilten Auskunft ergibt sich das Vergleichsentgelt der maßgeblichen männlichen Vergleichsperson. Nach den Vorgaben des Entgelttransparenzgesetzes liegt in der Angabe des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt durch einen Arbeitgeber zugleich die Mitteilung der maßgeblichen Vergleichsperson, weil entweder ein konkreter oder ein hypothetischer Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit erhält.

Die Klägerin hat gegenüber der ihr von der Beklagten mitgeteilten männlichen Vergleichsperson eine unmittelbare Benachteiligung erfahren, denn ihr Entgelt war geringer als das der Vergleichsperson gezahlte. Entgegen der Annahme des LAG begründet dieser Umstand zugleich die – von der Beklagten widerlegbare – Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ erfahren hat. Aufgrund der vom LAG getroffenen Feststellungen konnte das BAG nicht entscheiden, ob die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft, diese Vermutung ausreichend widerlegt hat. Zugleich war den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben. Das BAG hat daher die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Quelle | BAG, Urteil vom 21.1.2021, 8 AZR 488/19, PM Nr. 1/21

Diskriminierung im Beruf: „Männnerüberschuss“, Vollzeitstellenausschreibung und Duzen

Wenn im IT-Bereich mehr Männer als Frauen beschäftigt werden, entfaltet dies keine Indizwirkung für einen Benachteiligungsgrund. Ebenso wenig indiziert das Verwenden der Ansprache „Du“ eine Altersdiskriminierung. Zu diesem Ergebnis kam jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.

Geschlechterdiskriminierung?

Werden im IT-Bereich mehr Männer als Frauen beschäftigt, könne dies viele Gründe haben, etwa den, dass sich auf diesem Sektor mehr Männer als Frauen bewerben. Die Feststellung, dass ein Betrieb der IT-Branche nur männliche Angestellte habe, genüge für sich ebenfalls nicht, um eine Indizwirkung zu begründen. Dieser Umstand sage nichts darüber aus, welche Personen welchen Geschlechts mit welcher Qualifikation sich überhaupt auf eine Arbeitsstelle beworben hätten und eingestellt worden seien.

Auch die Ausschreibung der Stelle als Vollzeitstelle könne nicht dahin verstanden werden, als habe der ArbG hiermit signalisiert, an der Einstellung von Frauen nicht interessiert zu sein oder männliche Bewerber zu bevorzugen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Frauen möglicherweise häufiger an einer Teilzeitstelle interessiert seien und häufiger in Teilzeit arbeiteten als Männer. Dieser Umstand erlaube keinen Rückschluss auf eine Präferenz des ArbG für männliche Bewerber.

Altersdiskriminierung?

Schließlich indiziere das Verwenden der Ansprache „Du“ keine Altersdiskriminierung. Dies sei vielmehr eine weit verbreitete Wortwahl (nicht nur) in der modernen IT-Branche.

Quelle | LAG Köln, Beschluss vom 30.9.2020, 11 Ta 161/18

Diskriminierung: „Ugah, Ugah“ mit Folgen: Kündigung wegen menschenverachtender Äußerung bleibt wirksam

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Verfassungsbeschwerde gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen zu einer Kündigung wegen einer groben menschenverachtenden Äußerung nicht zur Entscheidung angenommen. Damit bleiben die Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen wirksam, wonach die Äußerung „Ugah, Ugah“ gegenüber einem dunkelhäutigen Kollegen eine menschenverachtende Diskriminierung darstellt, die sich nicht unter Berufung auf das grundgesetzlich garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung rechtfertigen lässt.

Das war geschehen

Der Beschwerdeführer betitelte in einer kontrovers ablaufenden Betriebsratssitzung einen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah!“, der ihn wiederum als „Stricher“ bezeichnete. Die daraufhin gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Kündigung erachteten die Arbeitsgerichte als wirksam, auch aufgrund einer einschlägigen vorhergehenden Abmahnung, die aber nicht zu einer Änderung seines Verhaltens geführt hatte.

Das sagte der Beschwerdeführer

Dagegen berief sich der Beschwerdeführer auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit – erfolglos. Die Arbeitsgerichte hätten seine Grundrechte gegenüber dem Kündigungsinteresse der Arbeitgeberin nicht abgewogen. Man dürfe ihm keine rassistische Einstellung vorwerfen. Der Umgangston im Betriebsrat sei durchaus „hin und wieder flapsig“. Das liege daran, dass es von allen Betriebsratsmitgliedern gewollt sei, die teilweise abstrakte bürokratische Materie durch Auflockerung der Gesprächsatmosphäre zu fördern. Es gehöre zum gepflegten Umgangston unter den Betriebsratsmitgliedern und sei bislang nie ein Problem gewesen. Seine Einwände blieben erfolglos.

So sieht es das BVerfG

Das BVerfG hält die Wertungen für richtig, die die Arbeitsgerichte getroffen haben, und die sich aus den Grundrechten der Meinungsfreiheit und Menschenwürde sowie dem Diskriminierungsverbot ergeben. Sie verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht der Meinungsfreiheit. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die arbeitsgerichtliche Bestätigung der Kündigung sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Zutreffend wurde die konkrete Situation als maßgeblich angesehen, in der ein Mensch mit dunkler Hautfarbe direkt mit nachgeahmten Affenlauten adressiert wird. Der Schluss, dass aufgrund der Verbindung zu einem nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpönten Merkmal keine nur derbe Beleidigung vorliege, sondern die Äußerung fundamental herabwürdigend sei, sei auch im Lichte des grundgesetzlichen Diskriminierungsverbots korrekt, das sich gegen rassistische Diskriminierung wendet.

Menschenwürde vor Meinungsfreiheit

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit erfordere im Normalfall eine Abwägung zwischen drohenden Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre und der Meinungsfreiheit. Die Meinungsfreiheit trete aber zurück, wenn herabsetzende Äußerungen die Menschenwürde antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Das haben die Gerichte hier in Anwendung des Kündigungsschutzrechts nicht verkannt, so das BVerfG. Sie hätten ausführlich begründet, dass und warum es sich um menschenverachtende Diskriminierung handelt. Danach wird die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird, und damit das Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der „Rasse“ verletzt wird. Diese Wertung sei ebenso, wie die im Rahmen der fristlosen Kündigung geforderte Gesamtwürdigung, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 2.11.2020, 1 BvR 2727/19; PM Nr. 101/2020 vom 24.11.2020

Stellenausschreibung: Alterseinschränkung für persönliche Assistentin einer schwerbehinderten Frau

Eine Stellenausschreibung benachteiligt eine Bewerberin um eine Anstellung als „Persönliche Assistentin“ einer schwerbehinderten Frau zwar wegen ihres Alters, wenn ein bestimmtes Alter gewünscht und genannt wird. Die hohen beruflichen Anforderungen der Tätigkeit rechtfertigen dies aber. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. 

Sachverhalt

Die Beklagte ist ein Assistenzdienst, der behinderte Menschen in allen Belangen rund um das Thema „Persönliche Assistenz“ unterstützt. Durch „Persönliche Assistenten“ sollen Menschen mit Behinderungen ihr Leben selbstbestimmt leben, unabhängig von ihren körperlichen, geistigen und/oder seelischen Einschränkungen. Die Beklagte berät diese von der Beantragung des Budgets bis hin zur Bewilligung durch den Kostenträger. Ferner steht sie ihnen bei der Mitarbeitersuche zur Seite. Dies betrifft unterschiedliche Dienste, wie etwa Arbeitsassistenz, Alltagsassistenz, Freizeitassistenz, Elternassistenz, Studienassistenz oder auch 24-Stunden-Assistenz. Im Rahmen der Unterstützung bei der Mitarbeitersuche betreibt die Beklagte als Stellenmarkt auch ein Internetportal. Die behinderten Menschen können dort ein Stellenangebot inserieren. Die Beklagte stellt ihnen vorab einen Fragebogen zur Verfügung, in dem sie Wünsche im Hinblick auf die Person des Assistenten angeben können, wie etwa Geschlecht oder Alter. Bei erfolgreicher Vermittlung schließen die behinderten Menschen einen Dienstleistungsvertrag und die Assistenzperson einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten. Im August 2018 bewarb sich die Klägerin auf eine Stellenausschreibung im o. g. Internetportal der Beklagten. Hierin suchte eine 28jährige schwerbehinderte Studentin eine „Persönliche Assistentin“ in allen Lebensbereichen des Alltags, die am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt sein sollte. Die Beklagte wies die Bewerbung der 50 Jahre alten Klägerin mit der Begründung zurück, sie habe sich aufgrund der hohen Anzahl von Bewerbern für einen anderen Bewerber entschieden.

So entschied das Arbeitsgericht

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe eines potenziellen Bruttomonatsengelts von 1.770 Euro zu zahlen. Denn durch die Stellenausschreibung werde die Klägerin wegen ihres Alters ungerechtfertigt benachteiligt. Das Alter stelle keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Assistenz eines behinderten Menschen dar. Die Beklagte könne sich nicht auf das Selbstbestimmungsrecht des behinderten Menschen berufen, denn dessen Selbstbestimmungsrecht werde nicht berührt. Bei persönlichen Assistenzleistungen komme es in erster Linie auf die vom Alter unabhängige zwischenmenschliche Beziehung und Empathie an.

Andere Sichtweise der höheren Instanz

Das sah das LAG anders. Zwar benachteilige die Stellenausschreibung die Klägerin wegen ihres Alters. Dies sei hier aber aufgrund der beruflichen Anforderungen der Tätigkeit der persönlichen Assistenz gerechtfertigt. Die Beklagte verfolge mit der Anstellung „Persönlicher Assistenten“, deren Anforderungsprofil individuell von dem behinderten Menschen vorgegeben wird und deren Beschäftigung zur Erfüllung dieser Vorgaben erfolgt, auch sozialpolitische Ziele, die im Allgemeininteresse liegen. Die Realisierung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung liegt im Allgemeininteresse. Assistenzleistungen sind ein vom Gesetzgeber anerkanntes Mittel zur Verwirklichung des sozialpolitischen Ziels. Das Instrument der „Persönlichen Assistenz“ ist ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Realisierung des Ziels, das die Klägerin nicht übermäßig benachteiligt, da ihr die Beschäftigung in anderen Formen der Assistenz verbleibt.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 27.5.2020, 11 Sa 284/19

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