Schlagwort: Leiharbeit

Leiharbeit: Sachgrundlose Befristung nach Arbeitnehmerüberlassung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat drei Entfristungsklagen von Arbeitnehmern bei der Volkswagen AG (VW) stattgegeben und in weiteren sieben Fällen die Berufung gegen die klageabweisenden Urteile zurückgewiesen.

Die Kläger waren bei VW sachgrundlos vom 1.9.2019 bis zum 31.5.2020 beschäftigt. Zuvor bestanden Arbeitsverhältnisse seit Anfang September 2016 mit der Firma AutoVision. Diese ist mit der Beklagten wirtschaftlich verbunden, aber rechtlich selbstständig. Die Kläger waren von Beginn des Arbeitsverhältnisses zur Firma AutoVision von dieser als Leiharbeitnehmer bei VW eingesetzt. Die früheren Arbeitsverhältnisse waren zunächst befristet. Die Kläger und AutoVision verlängerten die Befristung zweimal. Die Kläger haben sich gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Fristablaufs gewandt und Rechtsmissbrauch geltend gemacht. Sie waren der Auffassung, die Eingliederung bei VW aufgrund der Leiharbeit in dem früheren Zeitraum von nahezu drei Jahren habe gegen die europäische Richtlinie über Leiharbeit verstoßen.

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat sämtliche Klagen abgewiesen. In drei Verfahren hat das LAG der Berufung stattgegeben, weil auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien wegen fehlender Gewerkschaftszugehörigkeit der Kläger ein Tarifvertrag, der eine Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten vorsieht, nicht anzuwenden ist. Bei den übrigen, tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen hat das LAG die Überlassung als rechtswirksam angesehen. Es hat insbesondere keinen Verstoß gegen die europäische Richtlinie über Leiharbeit angenommen. Auch den Einwand des Rechtsmissbrauchs hat es verneint. Das LAG hat in allen Fällen die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.

Quelle | LAG Niedersachsen

Gesetzlich festgelegte Höchstdauer: Verlängerung einer Arbeitnehmerüberlassung durch Tarifvertrag

Bei einer vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung kann in einem Tarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche abweichend von der gesetzlich zulässigen Dauer von 18 Monaten eine andere Überlassungshöchstdauer vereinbart werden. Diese ist auch für den überlassenen Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber (Verleiher) unabhängig von deren Tarifgebundenheit maßgebend. So entschied es nun das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Der Kläger war der Beklagten ab Mai 2017 für knapp 24 Monate als Leiharbeitnehmer überlassen. Die Beklagte ist Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. (Südwestmetall). In ihrem Unternehmen galt daher der zwischen Südwestmetall und der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) geschlossene „Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit“. Der Tarifvertrag regelt unter anderem, dass die Dauer einer Arbeitnehmerüberlassung 48 Monate nicht überschreiten darf. Der Kläger will mit seiner Klage festgestellt wissen, dass zwischen ihm und der Beklagten (Entleiherin) aufgrund Überschreitung der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer kraft Gesetzes (hier: § 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 1 S. 1 Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG)) ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Der Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit gelte für ihn mangels Mitgliedschaft in der IG Metall nicht. Zudem sei die dem Tarifvertrag zugrunde liegende Regelung (hier: § 1 Abs. 1b S. 3 AÜG) verfassungswidrig. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Südwestmetall und IG Metall konnten die Überlassungshöchstdauer für den Einsatz von Leiharbeitnehmern bei der Beklagten durch Tarifvertrag mit Wirkung auch für den Kläger und dessen Arbeitgeberin (Verleiherin) verlängern. Bei § 1 Abs. 1b S. 3 AÜG handelt es sich um eine vom Gesetzgeber außerhalb des Tarifvertragsgesetzes vorgesehene Regelungsermächtigung, die den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche nicht nur gestattet, die Überlassungshöchstdauer abweichend von § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG verbindlich für tarifgebundene Entleihunternehmen, sondern auch für Verleiher und Leiharbeitnehmer mittels Tarifvertrag zu regeln, ohne dass es auf deren Tarifgebundenheit ankommt. Die gesetzliche Regelung ist unionsrechts- und verfassungskonform. Die vereinbarte Höchstüberlassungsdauer von 48 Monaten hält sich im Rahmen der gesetzlichen Regelungsbefugnis.

Quelle | BAG, Urteil vom 14.9.2022

Kündigungen: Erst Leiharbeitnehmer kündigen, dann Stammmitarbeiter

Ein Arbeitgeber muss zunächst den bisher fortlaufend beschäftigten Leiharbeitskräften kündigen. Erst dann darf er den Stammbeschäftigten aus betriebsbedingten Gründen kündigen. Hält er sich nicht an diese Vorgehensweise, sind betriebsbedingte Kündigungen unwirksam. So entschied es jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.

Was war geschehen? Ein Arbeitgeber hatte einen Personalüberschuss. Aus diesem Grund kündigte er u. a. den Klägern, die zur Stammbelegschaft gehörten. Sie wehrten sich dagegen. Ihr Argument: Der Arbeitgeber hatte bereits ca. zwei Jahre, bevor die Kündigungen ausgesprochen wurden, dauerhaft – mit nur kurzen Unterbrechungen – sechs Zeitarbeitskräfte beschäftigt. Sie verlangten, dass zunächst diesen Zeitarbeitskräften gekündigt werde.

Die Kläger fanden sowohl beim Arbeitsgericht (ArbG) als auch beim LAG Gehör. Die Gerichte bewerteten die Kündigung als unwirksam. Denn im Kündigungszeitpunkt gab es eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit für die Kläger. Die Beklagte hat im Kündigungszeitpunkt einen dauerhaft bestehenden Arbeitsbedarf gehabt, den sie dem Kläger hätte zuweisen können. Die Leiharbeitnehmer seien auch keine bloße Personalreserve gewesen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist zugelassen.

Quelle | LAG Köln, Urteile vom 2.9.2020, 5 Sa 14/20

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