Schlagwort: Beleidigung

Ausgestreckter Mittelfinger: Außerordentliche Kündigung? Auf die Umstände kommt es an!

Die fotografisch festgehaltene Geste eines Flugzeugkapitäns, der am Ende des letzten regulären Flugeinsatzes an der von seinem Arbeitgeber geschlossenen Station nach Landung und Räumung des Flugzeugs mit seiner Crew gemeinsam den ausgestreckten Mittelfinger in Richtung Kamera hält, kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung begründen. Das entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf.

Das LAG: So ist es jedenfalls, wenn diese Geste nachweislich gegen den Arbeitgeber gerichtet und damit beleidigend gemeint ist. Ist die Geste hingegen unwiderlegt als ein symbolisches Ausstrecken des Mittelfingers in Richtung „Corona“ als dem Grund für die Schließung der Flugzeugbasis und damit den Verlust der Arbeitsplätze gemeint, begründet das damit lediglich noch vorliegende unangemessene Verhalten keine außerordentliche Kündigung. Das gilt erst recht, wenn sich in der Firmenzentrale bekanntermaßen ein großes Wand-Bild mit einer beide Mittelfinger ausstreckenden Seniorin als Kunstobjekt befindet und mithin der Arbeitgeber selbst gegenüber derlei Gesten ein entspanntes Verhältnis pflegt.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 5.4.2022

Heimliche Handyaufnahme: Arbeitnehmer muss nicht stets mit Kündigung rechnen

Arbeitnehmer dürfen ihre Vorgesetzten nicht heimlich aufnehmen. Dies hat aber nicht immer eine wirksame Kündigung zur Folge. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz.

Ein Kassierer war zunächst mit einer anderen Arbeitnehmerin und später mit seinem Vorgesetzten in Streit geraten. Den Streit mit seinem Vorgesetzten nahm der Kassierer mit seinem Handy auf – wie er behauptet hat, spontan. Davon wusste der Vorgesetzte allerdings nichts. Als sein Arbeitgeber von den Aufnahmen erfuhr, kündigte er dem Kassierer.

Der Kassierer wandte ein, sein Vorgesetzter habe sich ihm gegenüber zuvor unsachgemäß, diskriminierend und ehrverletzend geäußert. Da das klärende Gespräch unter vier Augen stattfand, wollte der Kassierer das Verhalten seines Vorgesetzten mit den Tonaufnahmen dokumentieren. Er war, so der Kassierer, davon ausgegangen, dass dies erlaubt sei.

Das LAG: Sowohl die fristlose als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung sind unwirksam. Zwar gelte der Grundsatz, dass Personalgespräche nicht mitgeschnitten werden dürfen und dies zu einer außerordentlichen Kündigung führen könne (Verletzung des Persönlichkeitsrechts). Entscheidend sei hier aber, dass es zu den o. g. beleidigenden Äußerungen des Vorgesetzten gekommen war. Diese verletzten wiederum das Persönlichkeitsrecht des Kassierers. Er war davon ausgegangen, dass man ihm ohne die Aufzeichnungen nicht glauben würde.

Das LAG hob hervor: Selbst, wenn die Tonaufnahme nicht gerechtfertigt war, habe sich der Kassierer in einem sog. Verbotsirrtum befunden. Dies sei hier zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen. Ebenso zu seinen Gunsten bewertete das LAG, dass der Kassierer 17 Jahre lang bei seinem Arbeitgeber tätig war, ohne dass es Störungen gegeben hatte.

Diese Bewertung gilt nach dem LAG auch für die ordentliche Kündigung. Auch hier sei eine Kündigung unverhältnismäßig.

Quelle | LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.11.2021

Verbale Entgleisung: „Hier herrscht ein Hitlerregime!“ rechtfertigt fristlose Kündigung

Grobe Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Vorgesetzten stellen einen Grund für eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung dar. Solche Entgleisungen sind als so schwerwiegend anzusehen, dass das Interesse des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aufzulösen, das Interesse des Arbeitnehmers an Weiterbeschäftigung überwiegt. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es dann nicht. So entschied jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.

Arbeitnehmer erhielt Kündigung und bedrohte daraufhin Geschäftsführer

Der Arbeitnehmer war ins Büro des Geschäftsführers zitiert worden. Dort überreichte ihm dieser – für den Arbeitnehmer überraschend – sein Kündigungsschreiben zur ordentlichen Kündigung. Der Arbeitnehmer wollte daraufhin eigentlich gehen. Er sei dann aber umgekehrt und habe den Geschäftsführer beschimpft: Er sei „wie Hitler“ und wolle „die schwarzen Köpfe ausmerzen“. Der Arbeitnehmer hatte wohl auch arabische Flüche ausgestoßen und zudem geäußert, er werde mit seinen Kindern in den Betrieb kommen, damit sie sehen könnten, wer dafür verantwortlich sei, dass sie nichts zu essen hätten.

Schwerwiegende Entgleisung rechtfertigt fristlose Kündigung

Der Kündigung waren etliche Streitigkeiten vorausgegangen. So war der Arbeitnehmer bereits abgemahnt worden. Das LAG: Das gesamte o. g. Verhalten des Arbeitnehmers stelle eine bedrohliche Handlung gegenüber dem Geschäftsführer dar. Diese Entgleisungen seien als so schwerwiegend anzusehen, dass das Interesse des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist aufzulösen, das Interesse des Arbeitnehmers an Weiterbeschäftigung überwiege. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere auch keine vorherige Abmahnung.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 6.11.2020, 10 Sa 280/19

Bundesarbeitsgericht: Kündigung wegen Äußerung in einer Chatgruppe

Ein Arbeitnehmer, der sich in einer aus sieben Mitgliedern bestehenden privaten Chatgruppe in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und andere Kollegen äußert, kann sich gegen eine daraus folgende außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nur im Ausnahmefall auf eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung berufen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Chatgruppe mehrerer Arbeitnehmer

Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz „langjährig befreundet“, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise u. a. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.

Gerichte unterschiedlicher Meinung: Bundesarbeitsgericht spricht Machtwort

Beide Vorinstanzen haben der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG jedoch Erfolg. Die Vertraulichkeitserwartung des Klägers in Bezug auf die ihm vorgeworfenen Äußerungen war nicht berechtigt. Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Das wiederum ist abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Sind Gegenstand der Nachrichten – wie vorliegend – beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigterweise erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben.

Das BAG hat das Berufungsurteil insoweit aufgehoben und die Sache an das LAG zurückverwiesen. Dieses wird dem Kläger Gelegenheit geben, darzulegen, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.

Quelle | BAG, Urteil vom 24.8.2023

Fristlose Kündigung: Kollegin mit Äußerungen sexuell beleidigt

Auch auf einer betrieblichen Weihnachtsfeier gibt es keinen Freifahrtschein für sexuell belästigende Äußerungen gegenüber Kolleginnen. Es handelt sich um Verletzungen der vertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers, die eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich rechtfertigen können. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist kann dem Arbeitgeber unzumutbar sein. Dies hat das Arbeitsgericht (ArbG) Elmshorn entschieden.

Das war geschehen

Der 32-jährige Kläger war seit dem Jahr 2019 bei seiner Arbeitgeberin beschäftigt, einer kleinen Firma mit sechs Mitarbeitern und einer Mitarbeiterin. Auf der Weihnachtsfeier im Dezember 2022 sammelte die Kollegin des Klägers Geld für ein Geschenk ein. Nachdem der Kläger nicht passend zahlen und die Kollegin nicht wechseln konnte, sagte der Kläger der Kollegin im Beisein anderer Kollegen: „Wir können sie ja auf den Kopf stellen und die Geldkarte durch den Schlitz ziehen.“ Die Kollegin beschwerte sich noch am gleichen Abend beim Geschäftsführer. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger vier Tage später fristlos. Dessen Kündigungsschutzklage blieb vor dem ArbG erfolglos.

Wichtiger Grund für Kündigung lag vor

Das ArbG stellt klar, dass auch unerwünschte Bemerkungen sexuellen Inhalts eine sexuelle Belästigung und damit einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen können, wenn sie die Würdeverletzung der betreffenden Person bezwecken oder bewirken. Das Verhalten des Klägers stellt danach eine sexuelle Belästigung dar und ist zudem schwerst beleidigend. Mit der Äußerung wird die Kollegin auf derbste Art und Weise zum Objekt sexueller Anspielungen herabgewürdigt. Sie wird mit einem Objekt gleichgestellt. Es handelt sich nicht um eine bloße „Anzüglichkeit“, sondern um eine besonders krasse Form der Herabwürdigung. Die Äußerung kann nur frauenfeindlich bzw. sexistisch verstanden werden.

Keine Entschuldigung

Es entschuldigt den Kläger nicht, dass er einen Scherz machen wollte. Eine Beleidigung und ein sexueller Übergriff werden nicht dadurch weniger intensiv, dass Kollegen darüber lachen – im Gegenteil. Auch auf eine unmittelbare Reaktion der Kollegin kam es nicht an. Es ist nicht erforderlich, dass diese sich zeitlich unmittelbar getroffen zeigt. Das Verhalten des Opfers kann die Schwere der Äußerung nicht relativieren. Auch die Gesamtumstände der Weihnachtsfeier ändern nichts an der Bewertung. Selbst, wenn dort Alkohol konsumiert wurde und eine gelöste Stimmung herrschte, macht dies die Äußerung des Klägers nicht weniger schlimm. Eine solche herabwürdigende, öffentliche Äußerung ist geeignet, das Ansehen der einzigen Kollegin unter den Kollegen und im Unternehmen unwiederbringlich zu schädigen, wenn die Arbeitgeberin darauf nicht mit der außerordentlichen Kündigung reagiert.

Eine vorherige Abmahnung war entbehrlich. Das Fehlverhalten des Klägers wiegt so schwer, dass eine Hinnahme durch die Beklagte ausgeschlossen war. Dies musste dem Kläger auch erkennbar sein. Er hat sich weder entschuldigt noch wenigstens Reue gezeigt.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es wurde beim Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein bereits Berufung eingelegt.

Quelle | ArbG Elmshorn, Urteil vom 26.4.2023

Fristlose Kündigung: Grobe Beleidigung des Arbeitgebers ist keine freie Meinungsäußerung

Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen Kündigungsgründe „an sich“ dar. Der Arbeitnehmer kann sich nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung nach dem Grundgesetz (Artikel 5 Abs. 1 GG) berufen. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern jetzt entschieden.

Es hebt hervor: Im groben Maße unsachliche Angriffe, die u. a. zur Untergrabung der Position des Vorgesetzten oder Arbeitgebers führen, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen. Einer Abmahnung bedarf es etwa nicht, wenn es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist.

Das LAG: Es kommt nicht darauf an, ob ein Straftatbestand erfüllt ist. Ausschlaggebend ist allein das Vorliegen einer Pflichtverletzung und die Frage, ob ein Arbeitgeber diese hinzunehmen hat.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz hatte der Arbeitnehmer während einer Weihnachtsfeier in Anwesenheit sämtlicher Mitarbeiter und des Hotelpersonals den Geschäftsführer als „Arschloch“, „Wixer“ und „Pisser“ bezeichnet und ihn mit den Worten „Fick Dich“ beschimpft. Ein tätlicher Angriff des Arbeitnehmers auf den Geschäftsführer sei allein durch das beherzte Eingreifen von Mitarbeitern verhindert worden.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 27.4.2021, 2 Sa 153/20

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