Homeoffice: Keine fristlose Kündigung bei Mitnahme des Bürostuhls

Wenn der Arbeitgeber dem Homeoffice generell Vorrang vor Präsenz einräumt, die dafür erforderliche Ausstattung aber nicht so schnell besorgen kann, kann er den Arbeitnehmer nicht sofort fristlos entlassen, wenn dieser den Bürostuhl mit nach Hause nimmt. Zu diesem Ergebnis kam das Arbeitsgericht (ArbG) Köln.

Der Arbeitnehmer wandte sich mit seiner Klage gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses u. a. durch eine außerordentliche Kündigung. Der Arbeitgeber begründete die Kündigung mit der rechtswidrigen Mitnahme eines Bürostuhls.

Das ArbG gab der Kündigungsschutzklage statt. Die unabgesprochene Mitnahme von Eigentum des Arbeitgebers nach Hause sei zwar eine Pflichtverletzung, die an sich eine Kündigung begründen könne. In der konkreten Situation reiche die Mitnahme des Bürostuhls aber nicht aus, um die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber habe der Tätigkeit im Homeoffice kurz vor Ostern 2020 generell Vorrang vor der Präsenztätigkeit im Büro eingeräumt, die dafür notwendige Ausstattung so kurzfristig aber nicht zur Verfügung gestellt.

Quelle | ArbG Köln, Urteil vom 18.1.2022

Corona-Pandemie: Arbeitnehmer: Weder Anspruch auf Homeoffice noch auf Einzelbüro

Auch wenn ein Infektionsrisiko in der Corona-Pandemie besteht, kann ein Arbeitnehmer nach Vorlage eines ärztlichen Attests keine Ansprüche darauf stellen, wo sich sein Arbeitsplatz befindet. Dem Arbeitgeber obliegt die Ausgestaltung seiner Fürsorgepflicht für seine Arbeitnehmer. Dies stellte jetzt das Arbeitsgericht (ArbG) Augsburg klar.

Ein 63jähriger Arbeitnehmer teilte sich am Sitz der Beklagten ein Büro mit einer Mitarbeiterin. Des Weiteren erteilte er nebenamtlich einmal wöchentlich einen 90minütigen Unterricht. Mit der Vorlage eines ärztlichen Attests leitete er einen Anspruch gegenüber der Beklagten darauf ab, seine Tätigkeit an seinem Wohnsitz im Homeoffice zu erbringen sowie von der Unterrichtsverpflichtung freigestellt zu werden, solange für ihn das Risiko einer Ansteckung mit dem Sars-CoV-2-Virus bestünde. Sofern dem Arbeitgeber eine Homeoffice-Genehmigung nicht möglich sei, verlangte er die Bereitstellung eines konkreten Einzelbüros. Bei Zuwiderhandlung solle der Arbeitgeber mit einem Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro belegt werden.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf einen Arbeitsplatz an seinem Wohnsitz (Homeoffice) – ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus dem Vertrag noch aus dem Gesetz. Es obliege allein dem Arbeitgeber, wie er seinen gesetzlichen Verpflichtungen, den Arbeitnehmer zu schützen, gerecht wird und sie ermessensgerecht durch entsprechende Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechtes umsetzt, um das Ziel zu erreichen, den hausärztlichen Empfehlungen des Klägers zu entsprechen. Dies treffe ebenso für ein Einzelbüro zu. Der Unterricht in Präsenzform war zwischenzeitlich Pandemie-bedingt eingestellt worden.

Quelle | ArbG Augsburg, Urteil vom 7.5.2020, 3 Ga 9/20

Online-Möbelhaus: Keine Sonntagsarbeit im Kundenservice

Ein Möbelvertrieb, der seine Produkte ausschließlich im Internet anbietet, darf Arbeitnehmer im Kundenservice in Deutschland an Sonn- und Feiertagen nicht beschäftigen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden.

Voraussetzung für Ausnahmebewilligung lagen nicht vor

Die Klägerin vertreibt Möbel und Einrichtungsgegenstände im Internet. In Deutschland beschäftigt sie 1.635 Arbeitnehmer, wovon 215 im Kundenservice tätig sind, davon wiederum sieben im Bundesland Sachsen. Der Kundenservice wird gegenwärtig an Sonn- und Feiertagen vor allem durch deutschsprachige Beschäftigte in Callcentern in Polen und Irland erbracht. Den Antrag der Klägerin, ihr ausnahmsweise Sonn- und Feiertagsarbeit für bis zu 14 Beschäftigte im Kundenservice im Homeoffice in Sachsen zu bewilligen, lehnte das hierfür zuständige Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit ab. Zur Begründung hieß es, die Klägerin nutze die gesetzlich zulässigen Betriebszeiten nicht weitgehend aus. Das sei aber Voraussetzung für die Ausnahmebewilligung.

Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt?

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Sie meint, der Begriff der weitgehenden Ausnutzung der Betriebszeiten müsse im Dienstleistungsbereich, insbesondere im Online-Handel, so verstanden werden, dass nur die betriebswirtschaftlich sinnvollen Zeiten – in ihrem Fall 90 Stunden pro Woche – angesetzt würden. Diese würde sie weitgehend ausnutzen. Es sei nicht sinnvoll, telefonischen Kundenservice nachts anzubieten, weil es dafür keine Nachfrage gebe. Ihre Kunden seien es gewohnt, den Kundenservice auch sonntags zu erreichen. Sei dies nicht mehr der Fall, würden die Kunden zu Konkurrenten abwandern. Damit sei auch ihre Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigt.

Das VG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne die begehrte Ausnahmebewilligung nicht verlangen. Zwar erlaube das Arbeitszeitgesetz ausnahmsweise Sonn- und Feiertagsbeschäftigungen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt sei und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden könne. Im Fall der Klägerin fehle es aber bereits an einer weitgehenden Ausnutzung der zulässigen Betriebszeit, die grundsätzlich 144 Stunden betrage. Dies sei bei der wöchentlichen Betriebszeit der Klägerin von 90 Stunden, was nur etwa 63 Prozent entspreche, nicht der Fall. Insoweit sei der Wortlaut des Arbeitszeitgesetzes eindeutig, und ein solches Verständnis stehe auch im Einklang mit dessen Sinn und Zweck sowie der Systematik.

Die Bestimmung des Arbeitszeitgesetzes sei Ausprägung des verfassungsrechtlich verankerten Schutzes der Sonn- und Feiertagsruhe. Ausnahmen hiervon seien nur in besonderen Fällen gestattet. Im Übrigen sei es der Klägerin ohne Weiteres zumutbar, telefonische Auskünfte nur an Werktagen zu erteilen, zumal ihre Kunden Käufe durchgehend tätigen könnten. Auf die Frage der Beeinträchtigung ihrer Konkurrenzfähigkeit komme es daher nicht an.

Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg möglich.

Quelle | VG Berlin, Urteil vom 27.4.2023

Corona-Pandemie: Maskenpflicht: Anordnungen seitens der Arbeitgeber ist Folge zu leisten

Wenn der Arbeitgeber Anordnungen trifft, in denen es um das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes geht, kann es zu unterschiedlichen Streitigkeiten kommen. Mit zwei Fällen haben sich jetzt die Arbeitsgerichte (ArbG) in Berlin und Siegburg beschäftigt. Die Urteile zeigen: Es sind hohe Anforderungen an die Argumentierung zu stellen, dass gesundheitliche Gründe gegen das Tragen von Schutzmasken oder Gesichtsvisieren sprechen.

Gesichtsschutzschirm statt Mund-Nasen-Schutz?

Darf ein Arbeitnehmer darauf bestehen, bei seiner Arbeit statt eines Mund-Nasen-Schutzes einen Gesichtsschutzschirm zu tragen? „Nein“, sagt das ArbG Berlin.

Die Arbeitnehmerin war Flugsicherheitsassistentin an einem Flughafen. Sie hatte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geklagt. Das ArbG argumentierte, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten und die Besucher des Flughafens vor Infektionen schützen müsse. Ein Gesichtsvisier schütze Dritte weniger als der vorgeschriebene Mund-Nasen-Schutz.

Dass ihr das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sei, habe die Arbeitnehmerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht.

Weder Schutzmaske noch Gesichtsvisier?

„Ohne Schutzmaske oder Gesichtsvisier geht es nicht.“ Der Arbeitgeber darf das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während der Arbeitszeit anordnen. Dies musste sich jetzt ein Verwaltungsmitarbeiter in einem Rathaus vom ArbG Siegburg sagen lassen.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus beschäftigt. Die Beklagte ordnete im Frühjahr 2020 in den Räumlichkeiten des Rathauses das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für Besucher und Beschäftigte an. Der Kläger legte ein Attest vor, das ihn ohne Angabe von Gründen von der Maskenpflicht befreite. Sein Arbeitgeber wies ihn daraufhin an, ein Gesichtsvisier beim Betreten des Rathauses und bei Gängen über die Flure und in Gemeinschaftsräumen zu tragen. Der Kläger legte ein neues Attest vor, das ihn wiederum ohne Angabe von Gründen von der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren jeglicher Art befreite. Ohne Gesichtsbedeckung wollte die Beklagte den Kläger nicht im Rathaus beschäftigen. Der Kläger begehrte nun im Eilverfahren seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung; alternativ wollte er im Homeoffice beschäftigt werden. Das ArbG wies seine Anträge ab.

Nach Auffassung des Gerichts überwiegt der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Mitarbeiter und Besucher des Rathauses das Interesse des Klägers an einer Beschäftigung ohne Gesichtsvisier oder Mund-Nase-Abdeckung.

Zudem hatte die Kammer Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Atteste. Die Kammer ging – wie auch das OVG Münster bei der Maskentragepflicht an Schulen – davon aus, dass ein solches Attest konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten muss, warum eine Maske nicht getragen werden könne, da der Kläger mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen einen rechtlichen Vorteil für sich erwirken will, nämlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Betreten des Rathauses ohne Maske. Einen Anspruch auf Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes verneinte die Kammer in diesem Fall.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.

Quelle | ArbG Berlin, Urteil vom 15.10.2020, 42 Ga 13034/20; ArbG Berlin, PM Nr. 34/2020 vom 18.12.2020; ArbG Siegburg, Urteil vom 16.12.2020, 4 Ga 18/20; PM vom 4.1.2021

Corona-Pandemie: Betriebsbedingte Kündigungen kein „Selbstläufer“

Betreffend betriebsbedingte Kündigungen hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass allein ein Hinweis auf „Corona“ oder einen Umsatzrückgang aufgrund der Pandemie nicht ausreicht, um eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen.

Gesunkener Beschäftigungsbedarf

In der einen Entscheidung stellte das ArbG fest, dass der Arbeitgeber anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen muss, warum nicht nur eine kurzfristige Auftragsschwankung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf (ArbG Berlin, Urteil vom 5.11.2020, 38 Ca 4569/20).

Umsatzrückgang

In weiteren Entscheidungen sagte das ArbG, dass die Erklärung, es habe einen starken Umsatzrückgang gegeben und man habe nicht anders auf denselben reagieren können, als eine Anzahl von Kündigungen auszusprechen, keine ausreichende Begründung zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung sei (ArbG Berlin, Urteile vom 25.8.2020, 34 Ca 6664/20, 34 Ca 6667/20, 34 Ca 6668/20).

Home-Office „rettet“ vor Arbeitsortswechsel

Schließlich stellte das ArbG in einem anderen Verfahren Folgendes fest: Auch wenn kein allgemeiner Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office bestehe, könne die mögliche Arbeit von zu Hause aus bei vorhandenen technischen Voraussetzungen einer Änderungskündigung zur Zuweisung eines anderen Arbeitsortes entgegenstehen. Die stärkere Verbreitung des Arbeitens im Home-Office aufgrund der Pandemie zeige, dass Arbeiten von zu Hause aus möglich sei. Gegen die Entscheidung wurde die Berufung beim LAG Berlin-Brandenburg eingelegt (ArbG Berlin, Urteil vom 10.8.2020, 19 Ca 13189/19).

Quelle | Alle Entscheidungen: ArbG Berlin; ArbG Berlin, PM Nr. 34/2020 vom 18.12.2020

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